»A GALLERINA'S DREAM (ARBEITSTITEL)«
STEFAN PANHANS & ANDREA WINKLER
GALERIE IM TURM, Berlin
17. März - 30. April 2017
Kuratiert von Celina Basra
„(...) es gibt Etiketten, Absperrungen, Westen und Leute, die sie tragen. Die Leute sind also eigentlich auch Teil der Infrastruktur. Da fragt man sich irgendwann, ab welchem Moment man selbst zum Teil der Infrastruktur wird: Schon wenn man sich eincheckt und den Flugschein aus der Maschine zieht? In der Schlange steht? Oder erst, wenn man den Koffer auf’s Fließband stellt? So oder so bist du Teil von einem maschinellen Ablauf. Und es ist eigentlich bloßer Zufall, dass du jetzt nicht selbst im Koffer – der Koffer – bist.’’
Jan Verwoert, im Gespräch mit Andrea Winkler
»A GALLERINA’S DREAM (ARBEITSTITEL)« mit Stefan Panhans und Andrea Winkler gibt Impulse zu gegenwärtigen Strukturen von Arbeit, Kunst- und Ausstellungsproduktion.
Der Arbeitsort Galerie — ob kommerziell oder nonprofit — ist repräsentativ und öffentlich. Wir handeln auf einer Bühne, sind Gastgeber, Showmaster und Regisseure. Raum, Zeit und finanzielle Ressourcen beeinflussen die Handlungen des Einladens und Zeigens, Aufmerksamkeit, Exklusion und Kontrolle.
Zu Beginn des Nachdenkens über die Ausstellung standen folgende Fragen: Wie wollen wir arbeiten und Arbeit repräsentieren? Wer kommt rein und wer bleibt draussen?
Im Prozess verschob sich der Fokus zunehmend auf das zentrale Bild des Ausstellungsraums als Bühne und die Idee des Theatralen, die diverse Gedanken zur Arbeit und Infrastruktur eines Ausstellungsraums in sich bündeln.
Stefan Panhans erschafft in seinen Filmen soziale Räume einer Kommunikationskultur der Selbstdarstellung. Seine ProtagonistInnen erscheinen in einer Einheit von Mensch, Bild und Avatar in hypermedial geprägten Lebenswelten; überforderte Konsumenten und Einzelkämpfer, die sich durch Fitnessstudios, ICE-Zugabteile und Castingshows bewegen.
Sein neustes Video »Freeroam À Rebours, Mod#I.1« (2016) wird im Rahmen der Ausstellug zum ersten Mal in Berlin gezeigt: der 16-minütige Film oszilliert zwischen Musikvideo und Tanzperformance und überträgt fehlerhafte Bewegungsabläufe von humanoiden Game-Avataren auf den menschlichen Körper. Verschiedene Szenarien digitalen 'Ungenügens', Defekte im Algorithmus der Avatare und Fehler der Spieler führen zur Verweigerung sinnhaft funktionaler Bewegung. Im hypnotischen Rhythmus des Films werden die Fehler zu tänzerischen Motiven, die sich so einer Logik omnipräsenter Optimierung entgegenstellen.
Andrea Winkler arbeitet mit Objekten der Beschleunigung und Überbleibseln des Transits, die durch die Schleuder digitaler Realität gedreht werden. In pointiert dosierten Gesten erstellt sie Bühnenbilder, die eine Welt des Warenfetischismus evozieren, und entwirft mit Stefan Panhans für die Ausstellung ein theatrales Szenario, das den Blick möglicherweise eher blockiert als ermöglicht. Es entsteht ein Boxring, eine Plattform, eine Leerstelle, eine Bühne, ein Eventraum, ein Konzeptstore, ein Display.
Das gemeinsam entwickelte Raumkonzept umfasst eine zentrale Bühne sowie Elemente aus Absperr- und Personenleitsystemen. Darin zeigt Andrea Winkler rhythmisch choreographierte Objekte der Reihe »Ghosts« (2017) und »BAGS« (2013) – Fitnessshirts und Taschen, angeeignet und modifiziert –, sowie in Silikon und Karbongewebe gehüllte Motorradhelme, die als Darsteller auf der Bühne und als Hybride zwischen Bild und Skulptur, Hülle und Körper in einer oder mehreren Realitäten agieren.
Sobald die BesucherInnen den Raum betreten, entsteht eine Situation, in der sie selbst AkteurInnen im Bühnenbild dieser fragmentierten Infrastruktur werden. Bühnenraum und Betrachterraum fallen in eins, die Betrachtung wird zur Performance. Szenenbilder des Films und der Rauminstallation vermischen sich, virtueller und physischer Raum werden verbunden.
Begreift die Rauminstallation sich als Erinnerung, Traum, oder fragmentierte Wiederaufführung einer Ausstellung in der Zukunft?
Wie Flughäfen nimmt die Infrastruktur und Displayarchitektur eines Ausstellungsraums eine Rhetorik an, die Sicherheit vermittelt, dieses Versprechen aber nicht konsequent einhalten kann.
Die Motorradhelme, die den menschlichen Kopf umhüllen und isolieren sollen und von Andrea Winkler mit ultraleichtem Gewebe umhüllt werden, repräsentieren möglicherweise die Sehnsucht nach Sicherheit und das zunehmende Tempo des kreativen Imperativs unserer Arbeit; gleichzeitig sind sie perfekte Formen, die in immer wieder neuen Variationen ausgeführt werden. Ebenso wie Ideen im Ausstellungsraum immer wieder variiert und neu zitiert werden.
Digitale Avatare scheinen die uns innewohnende Sehnsucht nach Perfektion einzulösen, tatsächlich jedoch ist jeder digitale Algorithmus fehlbar.
So wie diese Fehlbarkeit im Film tänzerisch sichtbar wird, kann auch ein Ausstellungsraum ein Raum für Fehler, Blockaden und Frustration sein. Für Fragmente, Bits, Partikel, Ghosts, Überbleibsel, Bruchstücke und Ruinen.
Zitat s. »Haltlos hergestellt«, Gespräch zwischen Jan Verwoert und Andrea Winkler, in: »Andrea Winkler«, (Hg. Kathrin Busch), Snoeck Verlag 2017.